TAG 2 – F***!

Heutige Intention: Ich wünsche mir Stärke und Durchhaltevermögen für alles was kommt!

Folterwerkzeuge in ihrem natürlichen Habitat 😛

Ah ja…

 
Es ist 08.30 h. Ich bin bereits einen halben Arbeitstag wach, habe in Ujjayi, Kapalabhati und Sitali geatmet, gehechelt und gerauscht. Nun geht die Asana-Praxis los. In der vorgelagerten Pipipause stehe ich mit 2 unbekannten Damen mittleren Alters die an unserer Open House Class teilnehmen an und warte auf meinen Lokus turn. Ich grüße und auf die Frage hin, wie lange die folgende Praxis denn nochmal dauern soll antworte ich: 2 Stunden. “Uff!” sagt die eine “wusste gar nicht mehr, dass das so lange ging…” – “Ja, wir sind gerade mitten im Teacher Train…” – “Ja,” sagt die Zweite “wissen wir. Wir haben das im letzten Jahr auch gemacht. “Ach” gebe ich zurück “und, wie war das für Euch?” – “Ach weißt Du” meint dazu die Erste “uns brauchst Du dazu nicht zu fragen…” blickt konspirativ in Richtung ihrer Freundin und beide verschwinden in den Toilettentüren. Ich bleibe etwas entgeistert zurück. Was soll das denn heißen? Es war die Hölle? Wir haben uns mit unseren Mentoren total zerworfen? Wir haben geflunkert… haben wir doch nicht gemacht? Hä? Da klöngelt die Klangschale und ich gehe erstmal auf meine Matte…
 

Hilfe!

 
Es folgen 2 Stunden Asanas. Sonnengrüße, Chaturangas, Balancen und Inversionen bis die Matte qualmt! Mein muskelverkaterter Körper fühlt sich mittelgut dabei und versucht kläglich Kontakt zu meinem Hirn aufzunehmen. “Hilfe!” scheint er zu funken “mach doch mal was da oben! Kannst Du mal bitte die STOP-Synapse schnappsen!?”
Ich ignoriere jeden kleinen Aufgebe-Impuls meiner wie vom LKW überfahrenen Muskeln und gebe alles. Trikonasana – ich strecke den Arm bis zur Auskugelung gen Himmel. Krieger III – mein Bein ist so 90°, dass das letzte Abendmahl problemlos auf meinem Oberschenkel hätte stattfinden können. Aufschauende Hunde kriege ich bereits nach dem 3. Durchgang nicht mehr aufgestiegen… der Hund wird zur Kobra. Schweiß tropft auf die Matte. In der gedrehten Variante des seitlichen Winkels merke ich, wie meine hinter dem Rücken verschlossenen Hände über meinen mittlerweile komplett eingenäßten Körper glitschen. Ich fühle mich erschlagen, erschossen und durch den Wolf gedreht. Da wird mein absoluter Liebling ausgerufen: Kopfstand. NICHT!
Uff… Ich bilde das bekannte Dreieck mit den Händen, lege die Kopfkrone ab, tripple mit den Füßen in Richtung Gesicht, versuche kläglich mich aufzurichten. Wie ein erschossenes Pferd, das noch ein paarmal aufbegehrt bevor es ins nächste Leben übergleitet… um dort Yoga-Lehrer zu werden!
Um mich herum heben sich einige Füße kerzengerade in die Luft. Ich hopple und axte vor mich hin, aber ich bin wie versperrt. Da geht nix. Frustriert rolle ich mich im Kind zusammen und versuche meine Enttäuschung und meinen Ärger über mich selbst runterzuschlucken, was mir nicht recht gelingen mag. Ich bin mörderfrustriert. Warum geht das denn bitte nicht!? Mennoooo!!! Aber halt stopp! Gleichmut der Gedanken! Einfach hinnehmen… “aha, interessant, das kann ich also noch nicht…” sagen und weiter… Ach fuck it! Ich bin derbe genervt! Und das am 2. Tag… na toll.
“Jetzt noch 75 Atemzüge im Schulterstand” flötet unsere liebenswerte Yogalehrerin und ich rolle die Augen, tue aber was sie sagt. Nach 40 Atemrunden gehe ich in den Savasana-Streik und ein paar Minuten später liegen wir alle da. Ich schlafe wie immer fast ein, werde von meinem eigenen Dösgeblubber wieder aufmerksam und nicke wieder weg. Das geht eine lange Zeit so. Es können 5 Minuten oder auch 30 gewesen sein, ich weiß es nicht. Aber es fühlt sich gut an und langsam kommen die tasmanischen Teufelchen in meinem Kopf zur Ruhe und fangen an zu schnurren. Die Klangschale schält uns zurück ins Hier und Jetzt und bei der Vibration unseres gemeinschaftlichen Om, bin ich wieder zu Hause und weiß, dass wir alle diese FUCK-Tage haben werden. Heute war dann halt ich dran. Im besten Fall bin ich jetzt erstmal durch damit…

Sieht aus wie eine Tatortmarkierung 😀

Gehen wir zu mir oder zu Dir?

 
Der Nachmittag ist gut angereichert mit Asana-Sezierungen. Wir begutachten verschiedene Varianten, erarbeiten optimale Ausführungen und legen Hand an. Alle sind gut drauf und haben Spaß. Überall erklingt die Frage “zu mir oder zu Dir?”. Dahinter steckt der völlig moralische Vorschlag, eine gemeinsame Matte anzusteuern. Alle Matten werden von allen Füßen belaufen und genutzt. Egal! Wir sind ohnehin seit gestern eine große Familie. Ich fühle mich aufgehoben, wohlig und habe irgendwie das Gefühl, den Großteil dieser Menschen schon seit Jahren zu kennen. Verrückt. Heute ist der zweite Tag und es macht den Anschein, als würden wir bereits seit einem halben Jahr nichts anderes machen als zusammen in Kreisen um unsere Lehrer zu sitzen und uns gemeinsam durch die Assist-Übungen zu helfen. Das Yoga Teacher Training scheint eine Zeitmaschine zu sein und ein Seelenverbinder.
Irgendwie sind wir alle eins, auch wenn jeder dabei anders aussieht, unterschiedlich rangeht und eine andere Motivation hat. Wir sind alle eine Gemeinschaft und bislang fiel noch kein einziges böses Wort, ja, nicht einmal das kleine Lästermaul in meinem Kopf hat sich jemals gemeldet und geflüstert “hähä, dabei sehen wir aber besser aus!” oder “was war das denn für eine trottelige Frage?”, weil es nichts gibt, worüber ich mir anmaßen würde so etwas zu denken.
 

Hobbitasana

Ich bin friedlich in mir und mit anderen, sobald ich unseren kleinen, mit Raumsprayduft, tropischem leicht angeschwitztem Klima und Sockenfusseln angereicherten Kosmos betrete (und nicht gerade Kopfstand üben soll…).
Sobald ich morgens in die Nähe des Studios komme und sein typischer Geruch mir mit jedem Meter immer stärker entgegenströmt, habe ich das Gefühl, in eine Höhle mit freundlichen Hobbits einzutreten und im Türrahmen selbst zu einem zu werden. Anders als alle Fremden da draußen in der echten Welt und in unserer Gemeinschaft wie geschaffen für einander mit unseren allzeit nackigen Füßen. Ich bin verliebt. In jede einzelne Seele, die sich mit mir zusammen am Ende eines jeden Tages in diesen großen Kreis setzt, den Dirk immer ausruft und mit in unser Om einstimmt. Unsere Schwingungen verbinden sich zu einem mächtigen Brummen und wir klingen wie ein großer Schwarm Bienen. Und das mag ich… sehr.